Die Mücke & ich

Mücke

Gestern Abend überraschte ich sie in meiner Kloschüssel. Vermutlich auf der Suche nach einem stehenden Gewässer zum Eierlegen hatte sie sich dort niedergelassen. Beim Anheben des Deckels war sie schneller weg als ich gucken und sie erwischen konnte. Normalerweise dürfte sie überhaupt nicht hier sein. Ich wohne ländlich und direkt hinter einem Regenrückhaltebecken, also mitten im Mückenparadies. Daher sind alle Fenster entsprechend vergittert und auch vor der Terrassentür baumelt der Insektenschutz. Für eine fest entschlossene Mücke ist dieses Hindernis jedoch überwindbar.

Die Gitter haben den Nachteil, dass Lebewesen, die einmal drin sind, auch drin bleiben. Nachdem die Suche im Bad erfolglos blieb, war klar, dass der Blutsauger und ich die Nacht unter einem Dach verbringen mussten. Ich hoffte, ihn im Bad eingesperrt zu haben und freute mich auf entspannten Schlaf mit einem weckerlosen Ende voraussichtlich gegen acht, halb neun, nachdem ein Chronobiologe vor ein paar Tagen in einem Interview erzählte, wie wichtig die eigene innere Uhr sei und wie ungünstig sich Wecker auf unser Wohlbefinden auswirkten.

Um halb sechs drang ein leises Sirren in mein Ohr. Zunächst ignorierte ich es, da ich die Mücke im Bad wähnte. Srsrsrsrsrsrsr. Pause. Srsrsrsrsrsrsr. Pause. Srsrsrsrsrsrsr. Kein Zweifel, sie war es.

Licht an, mit Fliegenklatsche bewaffnet, Licht aus, um sie in Sicherheit zu wiegen. So stand ich mitten im Raum und wartete auf ein erneutes Sirren. Nichts. Nach einer Weile machte ich das Licht wieder an und suchte sie mit den Augen. Da ich auch mit Brille morgens um halb sechs nicht viel sehe, schlug ich wahllos auf alle kleinen dunklen Flecken im Raum ein. Die Mücke war nicht dabei und lachte sich in ihrem Hinterhalt ins Fäustchen. Licht aus, abwarten, Licht an, suchen. Dieses Spiel wiederholte sich einige Male.

Plötzlich saß sie provozierend mitten auf der hellen Wand. Ich holte aus. Schlug. Daneben. Danach ließ sich die derart gewarnte Mücke nicht mehr blicken. Inzwischen war es sechs Uhr. Ich musste den Rest der Nacht also notgedrungen mit ihr in einem Raum verbringen. Daher rieb ich mich von oben bis unter die Fußsohlen mit Anti-Brumm ein und roch ungefähr so einladend wie eine in Formaldehyd eingelegte Leiche.

Ich las einmal, dass diese Vampire mit den Minihirnen schlau genug sind, genau den Quadratzentimeter zu finden, den man aus gesundheitlichen oder ästhetischen Gründen vor Anti-Brumm verschont hat. Voller Sorge vor juckenden Schwellungen auf Augenlidern oder in verborgenen Körperritzen versuchte ich wieder einzuschlafen. Doch jedes noch so sanfte Rascheln der Bettdecke ließ mich hysterisch um mich schlagen. An Bettruhe war nicht mehr zu denken. Aus der Mücke wurde ein Elefant. Das hatte den Vorteil, dass ich ihn selbst ohne Sehhilfe problemlos finden und endlich ins Jenseits befördern konnte. So begann die neue Woche zwar mitten in der Nacht, aber mit einem Erfolg. Immerhin.

Das niederträchtige Untier hatte seine Chance jedoch längst reichlich genutzt und sich mit mir vollgetankt. Nun sitze ich hier, tunke einen Löffel in sechzig Grad heißes Wasser und drücke ihn auf die leuchtend roten Quaddeln. Das brennt ein wenig, aber ich bin so müde, dass mich noch nicht mal ein Elefant in meinem Schlafzimmer aus der Ruhe bringen kann.

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