Immerhin immersiv? Technik tritt Kunst

Mein wochenendlicher Hamburg-Ausflug hatte u.a. „Viva Frida Kahlo – Immersive Experience“ in Ottensen zum Ziel. Ich bin keine große Kunstkennerin, aber durchaus interessiert an vielem, was um mich herum so stattfindet. Insofern war ich schon auf „Monets Garten“, vom selben Veranstalter und ebenfalls multimedial-immersiv, aufmerksam geworden. Die Verbindung von Kunst mit moderner Technik – „immersiv“ bedeutet „eintauchen“ und meint fiktionale Effekte und virtuelle Realitäten – erschien mir ganz spannend.
 
Der erste Raum präsentiert, komplett analog, Frida Kahlos Biographie auf Stellwänden. Ganz okay, jetzt weiß ich mehr als vorher. Im entsprechenden Wikipedia-Artikel erfährt man allerdings deutlich mehr über die mexikanische Malerin.
 

Mit Virtual Reality durch Traumwelten

Im zweiten Raum stehen Stühle mit VR-Brillen und Kopfhörern. Die dreidimensionalen Rundumeffekte sind schon toll. Auf Frida Kahlos Bett bin ich zunächst durch eine knallbunte mexikanische Kulisse gefahren, um dann durch den Schlund eines goldzahnigen Totenkopfs in eine Tropenwald-Lichtung zu schweben. Schmetterlinge überall, ein Kolibri flog direkt an meiner Nase vorbei.
Menschen in einem Raum, um sie herum Projektionen. Das also ist immersiv.
 
Dann weiter durch die mexikanische Wüste mit Melonen-Bergen (auf einem Melonenstück graste eine Kuh), regnenden Melonenkernen und anderen fliegenden Früchten. Ein Schreckmoment als ich dachte, eine Papaya knallt gegen meine Stirn. Unzählige Elemente aus Frida Kahlos Bildern und quietschbunte Mexikoklischees halten als Motive für diesen wenige Minuten dauernden virtuellen Film her. Alles sehr surreal. Vielleicht ist diese kleine VR-Reise durch, laut Eigenwerbung, Frida Kahlos Traum- und Symbolwelten wahnsinnig klug und liebevoll konzipiert, weil sie als vom Surrealismus beeinflusste Malerin gilt, und nur mir kommt es vor wie dekorative Effekthascherei.
 

Projizierte Langeweile

Von den Traumwelten geht’s weiter in eine Halle mit vielen Projektoren, die Kahlos Bilder auf den vier Seitenwänden zeigen. Manchmal erscheint auch auf dem Boden irgendwas. Dazu erzählt eine Frauenstimme mit spanischem Akzent Kahlos Biographie, die mir ja bereits im Eingangsbereich, ebenfalls illustriert mit Fotos ihrer Bilder, vermittelt wurde. Das Ganze dauert 45 Minuten, die ich allerdings aufgrund akuter Langeweile und strahlenden Sonnenscheins draußen nicht durchhalte.
Irgendwas auf dem Boden.
 
Beim Verlassen des Raums dachte ich ernsthaft, jetzt kommt der spannende, immersive Teil. Es kamen aber nur der Shop mit käuflichem Kahlo-Kitsch und der Ausgang.
Das ist also die gehypte immersive Verbindung von Kunst und Technik, die „Virtual Reality Experience“. Vielleicht war meine Erwartungshaltung zu hoch, weil ich mir ab und zu unter das Kuppeldach des Kieler Mediendoms projizierte Geschichten von Sternenwelten und Galaxien anschaue.
Käuflicher Kahlo-Kitsch.
 

Universum statt Effekthascherei

Ich kann mich nicht erinnern, jemals so etwas wie einen Verriss geschrieben zu haben. Aber 25 Euro für eine derart billige „Experience“ sind schon ziemlich happig. Und mit Interesse oder gar Begeisterung für Kunst hat es nichts zu tun. Frida Kahlo dient als Stichwortgeberin für ein paar nette Effekte, wie zuvor schon Monet und Klimt. Aber sei’s drum, vielen Leuten gefällt es und sie wissen danach, wie ich auch, vermutlich ein bisschen mehr über Frida Kahlo als davor. Auch okay.
 
Aus meiner Sicht eignet sich die VR-Technik jedoch viel besser, um Menschen Natur und Umwelt nahezubringen. Wie wäre es zum Beispiel mit einer VR-Reise in die Tiefsee? (Gibt es wahrscheinlich schon, kenne ich nur noch nicht.) Oder alles im Universum, was sich bei einem Blick in den nächtlichen Sternenhimmel nicht von alleine erschließt. Ach ja, den Mediendom gibt’s ja auch schon. Und beim nächsten Ausflug besuche ich einfach das Hamburger Planetarium.

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