Obenrum und untenrum

Kopf, Körper und Bewusstsein

Intuivent soll vor allem Spaß machen. Im Kern ist es jedoch eine echt ernste Sache. Bisher wurde meist dem menschlichen Verstand Vorrang eingeräumt. Gefühle gehörten kontrolliert, der Körper beherrscht. Dabei könnten Bewusstsein und Denken ohne Körper gar nicht funktionieren. Was sagt uns das?

Ich bin damit aufgewachsen, dass man am besten mit möglichst viel Vernunft durchs Leben kommt. Sich nicht so anstellen, zusammenreißen, stillsitzen. Wer zuerst heult, hat verloren. Immanuel Kant und die Aufklärung, Homo oeconomicus, der geringste Preis zählt, das beste Argument gewinnt. Dumm nur, dass das mit der Wirklichkeit des Menschseins wenig gemein hat. Bis vor ein paar Jahren dachte ich immer, es ist mein individueller Fehler nicht so funktionieren zu können wie man es mir beizubringen versuchte. In Physik und Latein hatte ich eine sechs, wurde immer bockig, wenn man mich zu etwas zwingen wollte, und wusste viele Jahre nur, was ich alles nicht wollte. Karriere, Kohle, Kleinfamilie und eines fernen Tages als Rentnerin irgendwas Schönes machen, wenn vorher nicht irgendwelche Krankheiten das Ruder übernehmen.
 

Elefanten und Fische

alles

Dann entdeckte ich zwei Bereiche, die mein Weltbild auf den Kopf stellten: Psychologie und Hirnforschung. Siehe da, mein persönliches Defizit war gar keins, sondern ich war nur ein normal unvollkommener Mensch, dem niemand die Spielregeln verraten hatte. Wie viele andere auch. Wir haben uns ein Wirtschaftssystem und eine Gesellschaft zusammengepuzzelt, die wenig mit uns zu tun haben. Falsches Betriebssystem. Als würde man von einem Elefanten verlangen auf seinen Zehenspitzen zu tanzen oder von einem Fisch, durch die Sahara zu wandern.
 

Vernetzung statt Einbahnstraßen

In den Jahrzehnten von Fließbandarbeit und Massenproduktion war es vielleicht noch effizient, Beschäftigte heranzuziehen, die überschaubare Aufgaben zuverlässig erledigten und ansonsten nicht weiter störten. Um den Laden am Laufen zu halten, werden heute immer mehr Menschen gebraucht, die komplexe Prozesse flexibel steuern können. Dafür benötigt man obenrum weniger Einbahnstraßen, sondern mehr Vernetzung. Da Menschen keine Computer sind, wirkt sich sowas nicht nur auf die Arbeit aus, sondern auch auf den „Rest“, auf das gesamte System Mensch.
 
In den letzten Jahren beginnt es sich zu wandeln. Vor ein paar Tagen ist ein Fußballfunktionär aus der ersten Bundesliga von seinem Job zurückgetreten und hat es damit begründet keine Kraft mehr zu haben. Er sei müde und wolle raus. Seine Entscheidung wurde öffentlich nicht ins Lächerliche gezogen, sondern ihm wurde viel Empathie entgegengebracht. Ein Mann. Im Profifußball. Gibt mutig öffentlich „Schwäche“ zu. Und stößt auf breites Verständnis. Aus meiner Sicht ein bemerkenswertes Zeichen dafür, dass sich etwas verändert in unserer Sicht auf uns selbst.
 

Schicke Achtzigstundenwochen

hängt mit

Als ich mit dem Studium fertig war, galt es noch als besonders schick bei einer dieser Unternehmensberatungen zu arbeiten, in denen sechzig Stunden pro Woche die unterste Grenze sind. Ab einer Achtzigstundenwoche konnte mann hoffen, irgendwann zum Partner aufzusteigen. Dafür bekam man wahnsinnig viel Geld, das man nie ausgeben konnte. Außer für Koks und Prostituierte in irgendeiner Weltstadt, in der man von morgens um sieben bis nachts um eins einem Topkonzern ein paar hundert überflüssige Beschäftigte zu entlassen empfahl.
 
Viele heutige junge Leute haben auf solche Jobs keine Lust. Sich halb oder ganz totarbeiten, warum? Möglichst viel Geld anhäufen, wozu? Ausharren und auf eine Rente warten, die es vermutlich sowieso nie geben wird? Das kann nicht Sinn der Sache sein. Wenn nicht das, was stattdessen könnte Sinn der Sache sein? Privates Glück. Weltfrieden. Der nächstdickere SUV. Ein großes, buntes Buffet. Was darf’s denn sein?
 

Viele psychische Erkrankungen

Die Auswahl scheint schier unendlich, gleichzeitig gab es noch nie so viele psychisch Erkrankte wie heute. Fünfundzwanzig Prozent der Erwachsenen, jede*r Vierte leidet in Deutschland innerhalb eines Jahres an einer psychischen Erkrankung. Rechnet man psychosomatische Symptome wie nicht wenige Kopf-, Rücken- und Magenschmerzen, Verdauungsprobleme, Tinnitus usw. dazu, wird die Zahl entsprechend größer. Tja, und dann kommt noch die ganze Abteilung der Herz-Kreislauf-Erkrankungen obendrauf. Viele wirklich gesunde Menschen bleiben nicht übrig. Und das in einem der reichsten Länder der Welt.
 
allem zusammen

Man könnte nun sagen, das sei Jammern auf hohem Niveau, wo gehobelt wird, da fallen Späne. Aus meiner Sicht ist es ein überdeutliches Zeichen für Dysfunktionalität und ein Wegweiser, wie es menschenfreundlicher funktionieren könnte. Plausible Erklärungen finden sich in aktueller Forschung zuhauf. Menschen bestehen aus Kopf und Körper, aus Kognition und Emotion. Ganz neu ist das nun nicht. Wir verstehen allerdings immer tiefer, wie eng, wie vielfältig und wie wechselseitig die Vernetzung ist. Wird ein Teil vernachlässigt, verdrängt oder ignoriert, sucht sich das gesamte System irgendeinen Ausweg, ein Ventil, mal eine Depression, mal einen Herzinfarkt.

 

Embodiment

Dass (intrinsische) Bewegung gesund sein soll, hat man auch schon mal gehört. Sie ist aber nicht nur für den Körper gut, sondern für das gesamte System Mensch. Embodiment setzt hier an. Körper, Psyche und Umwelt wirken aufeinander und miteinander, Erfahrungen werden nicht nur im Gehirn gespeichert, sondern im gesamten (Resonanz-)Körper. Wer sich gut fühlt, hat eine entspannte Körperhaltung und ein freundliches Gesicht. Wer den Körper entspannt und ein freundliches Gesicht macht, fühlt sich gut. Bewusstsein und Denken könnten ohne Körper gar nicht existieren.
 

Mit Möglichkeiten spielen

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Die Idee hinter Intuivent ist, genau dieses Zusammen- und Wechselspiel zwischen oben und unten, innen und außen zu nutzen, zu lockern und zu üben, und das ganz bewusst auf spielerische Art und Weise. Wenn das eigene Innere Kind hervorgelockt und freigelassen wird, ist das für das gesamte System eine Chance, freier und entspannter zu werden. Das jedenfalls ist meine persönliche Erfahrung und sie passt zu den neueren Erkenntnissen aus Psychologie und Hirnforschung. Intuivent versteht sich nicht als Therapie oder gar als passive Behandlung, sondern es ist eine Einladung zur Selbsterforschung, zum Experiment, zum Spiel mit unseren Möglichkeiten. Wozu ist Leben in der Lage? Wie kann es sich noch anfühlen außer anstrengend und ermüdend?
 
Nur wenn ich alle Teile einbeziehe und nutze, die zum Menschsein gehören – oben und unten, innen und außen, Licht und Schatten -, kann ich das große Ganze erfahren und er-leben. Das macht Spaß, ist gesund und im Kopf wird’s dadurch auch leichter. Könnte das ein Sinn der Sache sein?

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