Mein Hirn & ich müssen kotzen

Geist

AfDAfDAfDAfDAfDAfDAfDAfDAfD … In den letzten Monaten und insbesondere Wochen fühlte sich das an wie eine Art Mantra. Egal ob ich Radio, Internet oder Fernseher einschaltete, überall waren plötzlich diese Nichtse. Es begann vor ein paar Jahren mit den Pegidas rund um diesen Kleinkriminellen. Schon da haben sämtliche Medien deren Bedeutung angewidert-fasziniert immer weiter aufgeblasen. Dann kam der eurokritische Bernd Lucke um die Ecke, vertrieben durch Bernd Höcke und seinesgleichen und nun haben wir den Salat. Nötig wäre das nicht gewesen.

Man muss von Hirnforschung wirklich nichts verstehen um zu begreifen, dass ein Thema, mit dem die Menschen immer und immer wieder konfrontiert werden, sich in die Köpfe einbrennt. Wenn mir ständig suggeriert wird, es gibt nur Bohnen, dann werde ich Bohnen entweder bald hassen oder sie für die einzige Lösung halten. Mein Hirn baut Kapazitäten zurück und ist mit Trampelpfaden zufrieden, wo ein Thema nicht gefragt ist. Und es baut vierspurige Autobahnen für Themen, die mir ständig vorgesetzt werden.

Insofern haben Medien und Politik, deren Akteure offenbar immer noch häufig denken, am besten für Einschaltquoten und Wahlergebnisse funktioniert, den Menschen Angst einzujagen, einen bemerkenswerten Job gemacht. Die Rechten wurden ja nicht gewählt, weil ihre Arbeit so überzeugend ist und sie irgendeine ernsthafte Alternative zu irgendwas böten. Sie wurden gewählt, weil deren WählerInnen sicher davon ausgehen konnten, dass das für mächtig Wirbel sorgen würde. Herzlichen Glückwunsch.

Angst vor Flüchtlingen, Angst vor Altersarmut, Angst vor Überfällen im Park, Angst vor Wohnungslosigkeit, Angst vor schwarzen Männern, Angst vor Arbeitslosigkeit, ach, Angst vor allem eben. Mein Hirn kotzt. Ich kann es nicht mehr hören. Aus allen Medien quillt es mir entgegen. Wenn ich mich ernsthaft auf alles einlassen würde, könnte ich vor lauter Angst gar nicht mehr aus dem Haus gehen.

Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt. Wie das kommt, steht auf einem anderen Blatt und hat auch damit zu tun, dass so viele Leute vor unserer Tür stehen. Die Konjunktur brummt, die Arbeitslosenquote ist so gering wie selten. Es läuft. Einerseits. Es gibt zu wenig Kinderbetreuung und Lehrkräfte, die Schulen sind in erbärmlichem Zustand, Straßen und Brücken brechen zusammen, alte Leute suchen im Müll nach Pfandflaschen. Andererseits. Dass viele Menschen das nicht verstehen, verstehe ich gut. Geht mir auch so.

Aufgabe von Politik wäre, sich genau diesen Fragen und Widersprüchen zu stellen und Antworten zu liefern. Stattdessen lässt sich die ganze Republik durch diese billigen AfD-Tricks vor sich hertreiben. In gewisser Weise verstehe ich das sogar. Über die Zukunft der Arbeit, 4.0 und so Kram, zu reden, ist natürlich viel komplizierter als sich über Flüchtlinge, deren Gefahrenpotenzial und erleichterte Abschiebungen zu streiten. Das sind in erster Linie Ablenkungsmanöver von den Themen, für die unsere Gesellschaft eigentlich Lösungen finden müsste. Dass die etablierten Parteien zum Beispiel nicht über die Veränderungen in der Arbeitswelt und verschiedene Grundeinkommenskonzepte reden, ist aus meiner Sicht skandalös. Arbeit 4.0? Sozialversicherung? Rente? Unterbezahlte Arbeit in der Pflege etc.? Klimawandel? Sozial-ökologischer Umbau? Huch. Das war ja 1997 schon mal nicht gewünscht.

Stattdessen reden wir über den Intrigantenstadl bei Gauland, Petry und Storch? Ernsthaft?! Heute dachte ich zwischendurch, also mein Großhirn sendete mir das entsprechende Signal: Lass sie doch machen. Lass sie in Sachsen regieren. Die Leute, gerade die „kleinen“, werden schnell merken, dass sowas das größere Übel ist.

Seit ich wählen darf, habe ich noch nie etwas anderes gewählt als das kleinere Übel. Im Bundestag zum Beispiel sitzen Menschen, die müssen sich mit dem „Bericht zur verbilligten Abgabe von Grundstücken gemäß Haushaltsvermerk Nr. 60.3 bei Kapitel 6004“ oder der „Einschätzung der witterungsbedingten Ernteausfälle und geplanten Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung“ befassen. Also ich bin heilfroh, dass es Menschen gibt, die sich mit solchen Fragen beschäftigen. Und dass es Menschen gibt, die sich mit solchen Fragen einigermaßen gern einigermaßen seriös beschäftigen. Ich bin heilfroh, dass es eine quasi natürliche Arbeitsteilung zwischen Merkel und Udo Lindenberg gibt. Gauland & Co versuchen eher in der Liga Lindenberg zu spielen.

Wenn ich mir die Welt ansehe, sehe ich sehr wohl, welche einzigartigen Privilegien wir hier haben. Wir müssen gar nicht jeden Tag mit dem Büßerhemd durch die Gegend laufen, aber ein wenig Demut täte manchmal gut.

Heute bekam ich die Einladung, gegen die erstarkte AfD zu demonstrieren. Siehe oben. Darüber berichten dann wieder alle und diese Leute verhaken sich noch mehr in meinem Kopf. Nein danke. Gern würde ich für Modelle demonstrieren, die die technologischen Veränderungen mit sozialer Gerechtigkeit und möglichst viel Freiheit für das Individuum zusammenbringen. Sagt mir Bescheid.

 
 

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